MIT ERASMUS+ NACH ESTLAND UND PORTUGAL

In Zeiten von Corona ist es gar nicht so einfach, länderübergreifend ein europäisches Projekt zu organisieren und voranzutreiben. Nach der Eröffnung unseres laufenden Projektes Changing to democracy: Democracy and totalitarianism in Europe after 1945 im Jahr 2019 mussten wir dieses zunächst aufgrund der schwierigen Rahmenbedingungen verschieben bzw. auf Eis legen. Mittlerweile ist viel passiert … und auch unsere Partnerschulen haben sich auf die Möglichkeit kollaborativen Arbeitens in Zeiten von Corona umgestellt, sodass es uns nun möglich ist, unser Projekt im hybriden Verfahren zu Ende zu führen.

 

Die Singing Revolution in Estland 

Vor den Osterferien 2022 nahm eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern der 10. und 11. Jahrgangsstufe im hybriden Verfahren an einer Mobilitätswoche im laufenden Erasmus+ Projekt Changing to democracy: Democracy and totalitarianism in Europe after 1945 in Estland teil. Während Vertreter und Schüler unserer Partnerschulen in Estland zu Gast sein durften, widmeten sich unsere Schülerinnen und Schüler dem Thema in einer digitalen Projektwoche und in kollaborativen Workshops und Gruppenarbeiten in digitalen Foren mit den Schülern in Estland. Im Mittelpunkt stand die friedliche Revolution Estlands im Rahmen der Singing Revolution und die Auseinandersetzung mit der Geschichte Estlands sowie dessen Wandel hin zur Demokratie.

 

Impressionen zur Mobilitätswoche in Estland

 

Eine besondere Rolle in der Geschichte spielte hierbei die Musik und das sogenannte Song festival Laulupidu, das alle fünf Jahre stattfindet und zu dem auch heute noch zehntausende Menschen pilgern. Die Tradition des Liederfestes wurde 1869 gegründet im Kontext des Erstarkens eines estnischen Nationalbewusstseins. 2003 wurde das Festival zum immateriellen Kulturerbe der Menschheit erklärt (UNESCO Weltkulturerbe).

 

Song festival Laulupidu

 

1988 begann im Zeichen von Glasnost und Perestroika die Singing Revolution. Tausende Sänger brachten auf dem Lauluväljak, dem Sängerfeld, patriotische Lieder und ihre Forderungen nach Freiheit zum Ausdruck. So wurde das Sängerfestival 1990 zum Ausdruck des Unabhängigkeitsbestrebens der Esten und dem friedlichen Wandel hin zur Demokratie.

Bis heute ist das Singen und Tanzen sowie die Pflege der eigenen Sprache fester Bestandteil der estnischen Kultur und Tradition, was insbesondere unsere Schülerinnen und Schüler sehr beeindruckt hat.

 

Die Nelkenrevolution - Portugals Weg zur Demokratie

Die Nelkenrevolution ist ein Thema, das in den bayerischen Geschichtsbüchern eher weniger zu finden ist. Dabei stellt sie Portugals Weg zur Demokratie und das Ende des Estado Novo am 25. April 1974 dar und führte die portugiesischen Kolonien in die Freiheit. Ihren Namen verdankt die Revolution den roten Nelken, die die aufständischen Soldaten in ihre Gewehrläufe steckten.

Im Rahmen einer weiteren Projektwoche nahm eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern an einer Mobilitätswoche in Portugal teil. Im Mittelpunkt standen neben der Geschichte Portugals und dem Weg in die Demokratie das Kennenlernen des portugiesischen Regimes und der Umgang mit Oppositionellen im System. Darüber hinaus ging es um staatliche Zensur und Überwachung sowie Strategien und Formen des Umgangs damit.

 

Impressionen zur Mobilitätswoche in Portugal

 

1926 hatte sich in Portugal eine Militärjunta etabliert, wobei ab 1932 unter Salazar der Staat (Estado Novo) zu einer Diktatur ausgebaut wurde. Begleitet von Maßnahmen der Repression wie Pressezensur und Folter schuf Salazar eine geschlossene, vormoderne und in sich geschlossene Gesellschaftsstruktur. Ab 1933 wurden die Unterdrückungsmaßnahmen durch den Aufbau einer Staatsschutzpolizei nach dem Vorbild und mit Unterstützung der Gestapo durchgesetzt. Dies führte zur Einrichtung von Spezialgefängnissen und Sondergerichten nach deutschem Vorbild. Die große Masse der Bevölkerung wurde bewusst in Armut, Unwissenheit und Rückständigkeit gehalten, um den Portugiesen die „Übel der Moderne zu ersparen“. Die vierjährige Grundschule für das Volk verstand Salazar als Zugeständnis. Über ein Drittel des Volkes waren unter Salazar Analphabeten. 

So wurden die Schülerinnen und Schüler im Verlauf der Woche in die Geschichte Portugals seit den 1920er-Jahren und das System des Estado Novo eingeführt und lernten zentrale Merkmale einer Diktatur kennen. Darüber hinaus besuchten die Schüler verschiedene Orte, die als Orte des Systems und Orte für die Revolution eine große Rolle spielten, wie z. B. das Gefängnis gegen den Widerstand in Lissabon, das ehemalige Militärgelände in Santarém oder wichtige Eckpunkte der Revolution. Der Kavallerieschule Santarém kam bei dem Umsturzversuch die wichtigste Rolle zu: nämlich die Besetzung des Terreiro do Paco in Lissabon.

Besonders interessant in diesem Kontext war das Gespräch mit Antonio Manuel Gracia Correia, einem ehemaligen Mitglied der portugiesischen Armee und Coronel Tirocinado de Cavalaria. Dieser hatte an den Ereignissen der Nelkenrevolution aktiv teilgenommen und schilderte den Schülern die Vorgänge und den Umgang mit Anhängern des Regimes. Überraschend dabei war für die Schüler, wie friedlich letztlich die Revolution stattgefunden hatte, denn das Militär übergab kurz nach dem Sturz der Regierung bzw. des Estado Novo die Regierungsgewalt an das Volk.

 

OStRin Alexandra Weber

 

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