WIE HAST DU´S MIT DER WEHRPFLICHT?
Seit dem 24. Februar 2022 tobt der Krieg in der Ukraine, der binnen weniger Monate Zehntausende Todesopfer forderte. Vor diesem Hintergrund entfachte auch in Deutschland die Diskussion über die Aufhebung der Aussetzung der Wehrpflicht seit 2011. Anlässlich des Jahrestages des Kriegsbeginns befragte daher die Mainpost sechs Schülerinnen und Schüler der Q12 zum Thema Wehrpflicht. Würden sie im Ernstfall zur Waffe greifen?
Julian Feix (Q12)
Meines Erachtens ist die allgemeine Dienstpflicht keine gute Idee. Dadurch würde sich zunächst mein Studium und damit der Eintritt in das Berufsleben um entsprechende Zeit verschieben. Gerade im Hinblick auf den Fachkräftemangel, wodurch jedes Jahr Arbeit im selbst gewählten Beruf immer wichtiger wird, wäre die Dienstpflicht nahezu widersprüchlich. Des Weiteren verkennen die Befürworter sowohl die Herausforderungen der Bundeswehr als auch die sozialer Berufe. Denn eine mögliche Einführung von wenigen Wochen, insofern hierfür überhaupt Ressourcen vorhanden wären, führt nicht dazu, dass wir mehr qualifizierte Sozialarbeiter oder ein leistungsstarkes Heer hätten.
Gerade der Ukrainekrieg hat aufgezeigt, dass ein gut ausgebildeter Soldat professioneller und effizienter unser Land verteidigen könnte als jener, der nur die Wehrpflicht abgeleistet hat.
Auch mit einer einjährigen Ausbildung im Rahmen der Wehrpflicht würde ich mich nicht ausreichend qualifiziert fühlen, aktiv mit einer Waffe zu kämpfen. Allerdings wären Aufgaben wie die Lebensmittelversorgung der Soldaten für mich selbstverständlich.
Maximilian Issing (Q12)
Ich stehe der Einführung der Wehrpflicht kritisch gegenüber - dies nicht aus nur pazifistischen Gründen, sondern eher bedingt durch das Gefühl, dass es die falsche Lösung für ein reales Problem ist. Der Zwang, junge Menschen wie mich gegen ihren Willen und ihre Moralvorstellungen zur Waffe zu bringen, überbrückt nur das eigentliche Problem: Die Bundeswehr als Institution/Arbeitgeber ist zu unattraktiv. Lange hat man es verschlafen, im 21. Jh. anzukommen, und dieser Personalmangel sind die Früchte dessen. Dass man sich nun im Gegensatz zu anderen nicht kritisch hinterfragt, und stattdessen auf Pflicht setzt, ist ein Armutszeugnis für eine Armee eines großen Industrielandes. Nichtsdestotrotz würde ich im Ernstfall zur Waffe greifen, da ich es als patriotische Pflicht ansehe - gleichzeitig verstehe ich Bedenken dagegen jeglicher Art, es nicht zu tun. Die Vorstellung, ein Staat habe das Recht, über Leben und Tod seiner Bürger zu entscheiden, sagt mir nicht zu - in unserer Zeit sollte man wegkommen von dem Modell der Politik, das über einem steht anstatt für einen zu sein.
Prinzipiell geändert hat der Krieg meine Meinung nicht, nur die Aktualität scheint beängstigend.
Thea Hiernickel (Q12)
Meiner Meinung nach widerspricht ein verpflichtender Wehrdienst der Idee der Freiheit und Selbstbestimmung jedes Einzelnen. Daran ändert auch ein Krieg nichts. Die Entscheidung, ob man bereit ist, im Militärdienst zu dienen oder nicht, sollte eine persönliche Entscheidung sein, die frei von äußeren Zwängen getroffen wird. Ein freiwilliger Wehrdienst würde sicherstellen, dass nur diejenigen, die wirklich bereit sind, in der Bundeswehr zu dienen, sich dafür entscheiden. Es ist wichtig, dass jeder Bürger seine Verantwortung für ein gewaltfreies Zusammenleben in unserer Gesellschaft wahrnimmt (beispielsweise auch durch das Engagement als Bundesfrewilligendienstleistender). Insgesamt kann eine sichere und friedliche Gesellschaft nicht nur durch den Einsatz von Waffen erreicht werden, sondern durch die Förderung von Toleranz, Verständnis und gegenseitiger Hilfe.
Ich persönlich finde, dass Wehrdienst in Deutschland ein freiwilliges, individuelles Engagement sein sollte, das für alle - egal ob männlich oder weiblich, schwarz oder weiß - zugänglich ist.
Eric Stevanovic (Q12)
'Wenn Sie mich als Zivilisten fragen, als Staatsbürger, als Politiker, würde ich sagen: Es war ein Fehler, die Wehrpflicht auszusetzen.' So sprach Verteidigungsminister Pistorius in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung über die Wehrpflicht und eine mögliche Wiedereinführung dieser.
Prinzipiell stimme ich seiner Aussage zu. Dennoch ist zu bedenken, dass eine Wiedereinführung der Wehrpflicht Probleme mit sich bringen würde. Ein Naheliegendes ist zunächst die Überforderung des bereits überfüllten Kasernensystems. Zwar besitzt die Bundeswehr insgesamt 1500 Liegenschaften mit 33.000 Gebäuden, die jedoch nicht nur Kasernen, sondern auch Lager, Reparaturstätten etc. miteinschließen. Doch sind viele dieser Objekte marode und haben beispielsweise keine intakten sanitären Einrichtungen oder sind gar kaum noch bewohnbar.
So wäre es zum jetzigen Zeitpunkt aus offensichtlichen Gründen nicht möglich, eine Wehrpflicht einzuführen. Daneben fehlt es schlichtweg an Kapazitäten, hunderttausende Wehrpflichtige auszurüsten. Dies alles könnte sich natürlich durch das bewilligte Sondervermögen von 100 Milliarden Euro ändern.
Ich persönlich bin für die Wehrpflicht und würde Deutschland im Falle eines Angriffs auch verteidigen. Der Krieg in der Ukraine hat vielen, unter anderem mir, erneut aufgezeigt, dass Frieden selbst heutzutage keine Garantie ist. Es ist zweifellos besser, auf den Ernstfall vorbereitet zu sein, als von ihm überrascht zu werden. So halte ich trotz all der Probleme eine Wehrpflicht für sinnvoll.
Benedikt Voll (Q12)
Ich stehe einer allgemeinen Wehrpflicht mit gemischten Gefühlen gegenüber. Kritisieren lässt mich meiner Meinung nach das Konzept einer Pflicht zum militärischen Dienst, da niemand gezwungen sein sollte an Kriegsakten teilzunehmen. Jedoch sehe ich hier gerade den Zivildienst als Möglichkeit seinen Dienst zu tun und andere Probleme wie beispielsweise den Pflegenotstand zu lösen.
Persönlich glaube ich, dass ich sollte es zu der Notwendigkeit kommen, mein Land mit der Waffe verteidigen würde, gerade um die Menschen und Werte Deutschlands zu verteidigen. Dies wäre nur der Fall, wenn vorher alle friedlichen Konfliktlösungen gescheitert wären.
Durch den Ukrainekrieg hat sich meine Meinung zwar nicht verändert allerdings verstärkt. Der Krieg hat mir persönlich nochmals vor Augen geführt das für die friedliche Situation, in der sich Deutschland mittlerweile schon seit längerer Zeit befindet keine Garantie besteht. Und gerade daran hat sich gezeigt, dass es auch für eine friedliche Nation wichtig ist ein funktionierendes Militär zu besitzen.
Linus Wunderlich (Q12)
Was halte ich von der Wehrpflicht?
Ich bin kein Befürworter der Wehrpflicht - zumindest nicht in der Form, in der es sie noch vor einigen Jahren gab. Die Wehrpflicht wurde aus guten Gründen abgeschafft: Sie war nicht zeitgemäß, zu teuer, ungerecht und v. a. nicht von Vorteil für die Bundeswehr. Diese benötigt gut ausgebildete Soldaten, die auch eine längere Karriere bei ihr in Betracht ziehen. Dem wird ein einjähriger Pflichtdienst nicht gerecht.
Außerdem wäre für mich aus persönlichen Gründen ein Militär- oder Kriegsdienst unvorstellbar.
Worin ich jedoch eine Bereicherung für die Gesellschaft sehe, ist ein allgemeiner und europaweiter Gemeinschaftsdienst, wahlwiese in Feldern wie z. B. Klimaschutz, Altenpflege, Sozialdiensten oder eben auch im Militärischen.
Würde ich mein Land mit der Waffe verteidigen?
Um ehrlich zu sein, bin ich mir dessen sehr unsicher, ich hoffe aber inständig, dass es nicht so weit kommt.
Ich bewundere alle Ukrainer, die sich täglich in Todesgefahr begeben, um so ihr Land und ihre Werte zu verteidigen. Man muss an dieser Stelle auch wertschätzen, dass die Ukraine infolge ihrer politischen wie kulturellen Annäherung an den Westen in den letzten Jahren auch unsere europäischen Werte im Kampf gegen den Aggressor Russland vertritt.
Aber trotzdem: Man darf nie vergessen, dass bei einer kriegerischen Auseinandersetzung keine Soldaten fallen, sondern Menschen sterben. Ich bin mir nicht sicher, ob ich dazu in der Lage wäre, das Leben eines Menschen nur aufgrund verschiedener politischer Meinungen zu beenden.
Hat sich meine Meinung durch den Krieg in der Ukraine geändert?
Naja, zumindest hat mich der Krieg in der Ukraine dafür sensibilisiert, dass der Frieden in Europa keine Selbstverständlichkeit ist und es diesen zu verteidigen gilt.
Dennoch ist in meinen Augen die Wiedereinführung der Wehrpflicht der völlig falsche Weg, um die Bundeswehr zu modernisieren bzw. den Frieden in Europa zu wahren. Stattdessen müsse man europaweit wie international auf tiefgreifende Wirtschaftssanktionen gegen Russland setzen.
Fotos: Silvia Gralla
Der Artikel der Mainpost vom 22.02.2023 findet sich hier.