EXKURSION NACH MÖDLAREUTH

„Die Grenzöffnung war einer der bewegendsten Momente in meinem Leben“, äußerte Klaus Kunkel, Mitglied des Historischen Vereins in Haßfurt. In einem kleinen Vortrag brachte er den Schülern der 10. Klasse seine persönlichen Erinnerungen zu seinen eigenen Grenzgängen bzw. dem „antiimperialistischen Schutzwall“ näher. Für ihn, wie für viele, sei es unvorstellbar gewesen, dass sich die Grenze jemals wieder öffnen würde. Gut erinnern konnte er sich auch an seinen ersten Ausflug in die DDR unmittelbar nach der Grenzöffnung. Auf seinem Weg sei ihm eine unendliche Kolonne an Trabanten begegnet, denn die DDR-Bürger nutzten die Möglichkeit aus, in den Westen zu fahren. Bewegend war für ihn auch die Geschichte zweier Jugendlicher aus Karl-Marx-Stadt, die an der Autobahn aufgegriffen worden waren und um deren Verbleib er sich als Mitarbeiter des Jugendamtes kümmern musste. Die „unbegleiteten Jugendlichen“ waren Anfang Januar 1990 aus der DDR geflohen, um im Westen einen Neuanfang zu wagen. So musste Kunkel auch bei den Eltern Überzeugungsarbeit leisten, dass sie die Kinder wieder zuhause aufnahmen, denn diese wären nur froh gewesen, dass es ihre Kinder in den Westen geschafft hatten. Angesichts der anstehenden Rückkehr zeigten die Jugendlichen keine Euphorie, denn es war klar, dass ihnen Strafen drohten. Klaus Kunkel nahm sich ihrer an und lieferte sie persönlich zuhause bei ihren Eltern ab. Der Empfang war nicht besonders freundlich, denn die Kinder hatten bereits zuvor Tadel erhalten, weil sie u.a. in der Schule den Sozialismus in Zweifel gezogen hatten. Allerdings sollte sich das politische System bald wandeln, woran viele in diesem Moment noch zweifelten.

Weitere Geschichten über „Grenzgänger“ und über das Leben mit und unmittelbar an der Grenze erfuhren die Schüler bei einem sich kurz darauf anschließenden Besuch in Mödlareuth. Von den Amerikanern „Little Berlin“ getauft, versinnbildlicht das Dorf, durch das unmittelbar die Grenze verlief, bis heute die Teilung Deutschlands. Mit Gründung der beiden deutschen Staaten 1949 gehörte der Ostteil Mödlareuths zum Territorium der DDR, der Westteil zu dem der Bundesrepublik. Damit waren beide Teile Mödlareuths nicht nur Bestandteil zweier verschiedener Staaten, sondern auch unterschiedlicher politischer, militärischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Systeme. Dazwischen ein ausgeklügeltes Grenzsystem auf Seiten der DDR.

Die weiß gestrichene Mauer nachts durch eine Lichtsperre in ein gespenstisches Licht gehüllt, der rund um die Uhr von DDR-Grenztruppen besetzte Beobachtungsturm, die Reste der Oberen Mühle, der Schlagbaum, vor dem die Verbindungsstraße in den Ostteil endete … über 23 Jahre sollte dieses Grenzszenario andauern. Wie ausgeklügelt das Sicherungssystem war, das einzig dazu diente, die eigene Bevölkerung einzusperren, erläuterte die Führerin bei der Begehung der Grenzanlagen. Anschaulich schilderte sie den Aufbau der Grenzanlagen, die eine Flucht nahezu unmöglich machten. Heute, so das Fazit der Schüler, könnte man sich dies gar nicht mehr vorstellen, dass so etwas möglich ist.